Ich hatte mich so gefreut, das erste Mal in meinem Leben London zu sehen, und meine Tante. Am 19. Februar 1890 war es so weit, die RMS Quetta legte in Brisbane ab, und war auf dem Weg nach London, ich war so aufgeregt wie noch nie zuvor in meinem Leben.

10 Tage hielt diese Euphorie in mir an, bis auf einmal in der Nacht zum 29. Februar 1890 ein gewaltiger Ruck durch das Schiff ging, in nur wenigen Minuten sank das Schiff, in diesen Minuten habe ich nach meinen Eltern gesucht, aber diese waren nicht zu Finden.

Gegen Mitternacht, als unsere Kräfte schon fast zuneige gingen, hörten wir die Schiffglocken des kleinen Dampfers Albatross. Ich war eine der wenigen Frauen die gemeinsam mit dem Baby im einzigen Rettungsboot auf die Rettung warteten. Irgendwann hielt ich mir die Ohren zu, nachdem ich die Schreie nicht mehr ertragen konnte.






Heute, ein knappes Jahr später mache ich mich erneut auf den Weg nach London, und ich bete das ich diesesmal Heil ankomme. In Brisbane hält mich nichts, bis auf ein Paar Erinnerungsstücke habe ich das Hab und Gut meiner Eltern verkauft.

Ich war so oft davor, einen Brief wegzuschicken, doch ich wusste nie was ich schreiben sollte, so entschloss ich mich nun zu dieser Reise. Meine Eltern wollten das ich in London mein weiteres Leben bestreite, also erfülle ich ihnen diesen Wunsch.

Einige Wochen später, stehe ich nun hier am Bug des Dampfers, Weihnachten haben wir an Bord gefeiert, es war ein schönes Fest, auch wenn es das erste Weihnachten ohne meine Eltern war.

London war viel größer als ich es mir vorgestellt hatte, doch ich weiß nicht, irgendwie macht mir diese Stadt Angst.

Vielleicht hätte ich doch den Brief abschicken sollen .. damit mich meine Tante abholt .. wer weis, vielleicht überlebe ich ja den Weg in die Baker Street 221b.





Unermesslichkeit, welch anderer Begriff könnte der Bedeutung des Namens >>London<< gerechter werden? Diesem endlosen Netz aus schmalen, vom Regen ersäuften Straßen, das da in alle Himmelrichtungen sprießt?

Ein Netz, dessen Maschen manchmal so eng sind, dass sie sich wie Stricke um die Rußigen Häuserhälse winden. Ein ausländischer Besucher merkte mal an, die Londoner Straßen wären so dunkel, als bereite es ihren Bewohnern Freude mit der Helligkeit versteck zu spielen.

Es ist aber vielmehr die große Stadt selbst, die einen langen Schatten wirft, mit ihren schweren, wolkenverhangenen Himmel, der wie ein grauer Schild alle Wärme undalles Licht von den Londonern abwendet. Einem Schattengewächs gleich fristen die Londoner ihr Dasein mitten mitten in einer STadt voller bezaubernder Architektur und menschlichem Elend.





Einige Einwohner wagen sich nach Einbruch der Dämmerung nicht mehr hervor, sondern kauern furchtsam in ihren Zimmerecken.

Im geisterhaften Licht ihrer Gaslampe, wenn sie denn eine haben; mit verriegelter Türe, wenn sie nicht schon längst zu Feuerholz gemacht wurde.

Aus Angst vor der durch die Ritzen einziehenden Dunkelheit, aus Furcht, der verschlagene Nebel könnte sie überfallen.

Oder auf Grund der Einsicht, dass kein Bürger gegen die Launen Londons gefeit ist.

Schwärze nährt die Straßen zu jeder Tagesstunde.